Schadaupark

Das Schloss Schadau wurde zwischen 1847 und 1852 erbaut und ist in mehrfacher Hinsicht von kulturhistorischer Bedeutung. Eingebettet in einen englischen Landschaftspark handelt es sich um eines der wertvollsten Schlossensembles der Romantik.

Das ehemalige Dorf Scherzligen geht auf eine alemannische Ansiedlung zurück. Um die 762 erstmals urkundlich erwähnte Kirche zu «Scartilinga» entstand rund anderthalb Kilometer südlich der befestigten Stadt Thun ein Fischer- und Schifferdorf auf einem niedrigen Moranenhügel. Umgeben von Sumpfland und Wasserlaufen wurde der kleine Flecken bei den häufigen Hochwassern jeweils zur Insel. Auf die regelmässigen Überschwemmungen und die durch steten Wellenschlag des Thunersees verursachten Schäden geht auch die Bezeichnung «Schadauw» für das Auengebiet am Ufer zurück, für das sich um 1870 die Schreibweise Schadau etablierte.

Bereits 1348 ist hier ein «hus genemt [genannt] Schadowe» aktenkundig, als Freiherr Johann von Strättligen die Schadau seinem Tochtermann (Schwiegersohn) Ulrich von Bubenberg als Lehen vergab. 1516 ging sie durch Kauf der gesamten Herrschaft Spiez an Junker Ludwig von Erlach und verblieb in der Folge rund 250 Jahre im Eigentum dieser Familie, die zu den führenden Geschlechtern Berns gehörte. Die Mühen mit den Wassern wurden in dieser Zeit allerdings nicht weniger, zumal nach der 1713 erfolgten Umleitung der Kander in den Thunersee. 1716 ersuchte Sigmund von Erlach in einer Bittschrift um Ersatz des in der Schadau entstandenen Schadens, den er in den beiden vorangehenden Jahren erlitten hatte, als sein Gut «den gantzen Sommer durch überschwemmt gewesen, so weit, dass man in der Heuwet-Zeit mit Schiffen darinnen gefahren».

Erst im 19. Jahrhundert wurde das Gebiet zwischen dem 1861 erbauten Bahnhof Scherzligen und dem Seeufer trockengelegt. 1919 wurde das in der ehemals selbstständigen Gemeinde Strättligen gelegene Dorf Scherzligen durch Eingemeindung ein Quartier der Stadt Thun. In den darauffolgenden Jahren mutierte es angesichts seiner bevorzugten Lage am See zum vornehmen Villenviertel.

Karte Scherzligen Schadau
Thun und das noch deutlich abgesetzte Dorf Scherzligen.
Landeskarte 1:10'000, 1876, (Quelle: Bundesamt für Landestopografie)

 

 

Bau- und Besitzgeschichte

In der Schadau stand ursprünglich ein mutmasslich um 1272 für die Freiherren von Strättligen erbautes Sasshaus, das 1516 mit dem Kauf der Herrschaft Spiez ins Eigentum der Familie von Erlach überging. Durch Erbschaft gelangte der Hof an Franz Ludwig von Erlach (1575–1651). Der seit 1629 als Schultheiss höchste weltliche Amtsträger von Stadt und Republik Bern war überaus baufreudig. Neben Umbauten der ebenfalls ererbten Schlosser Bümpliz und Spiez liess er sich um 1638 in der Mitte zwischen Aare und heutigem Schloss Schadau ein Landschlösschen errichten. Die Vedute von Albrecht Kauw von 1672 zeigt es als zweigeschossigen Massivbau über hohem Kellersockel.

An den Längsseiten erheben sich spitzbehelmte Türme weit über den First des steilen Walmdaches. Funktional als Abort- und Treppenturm ausgestaltet, sind sie Teil des repräsentativen Systems frühbarocker bernischer Schlossbauten. Stadteinwärts ist dem Hauptbau ein schmaler, stark befensterter Fachwerktrakt angeschlossen, der in einer späteren Urkunde als ≪grosse Galerie≫ bezeichnet wird.

Firstparallel zum Schlösschen erhebt sich eine gemauerte Scheune unter mächtigem Halbwalmdach. Die beiden Gebäude sind von einer zinnenbewehrten, weniger strategischen Zwecken als dem Hochwasserschutz dienenden Umfassungsmauer umgeben, aus welcher mit welschen Hauben gedeckte Eck- und Mittelpavillons über achteckigem Grundriss herausragen. Baulich veränderte sich in den folgenden 200 Jahren nur wenig. Nachdem die Schadau 1760 durch einen Tauschhandel an Bernhard May (1705–1765) gelangt war, liessen dessen Nachkommen um 1820 die demodierten hohen Turmhelme durch stumpfe Kegeldächer ersetzen und den Zinnenkranz der Umfassungsmauer entfernen, um die Sicht vom Garten auf den See zu ermöglichen. 1833 wurde der bernische Staatsschreiber Albert Friedrich von May (1773–1853) durch Erbteilung Alleineigentümer. Vier Jahre später verkaufte er das gesamte Gut an Alfred de Rougemont.

Ansicht der alten Schadau mit Umfassungsmauer. Farbaquatinta von Charles Melchior Descourtis, 1785
Ansicht der alten Schadau mit Umfassungsmauer. Farbaquatinta von Charles Melchior Descourtis, 1785 (Quelle: Helvetic Archives, Sig. GS-GUGE-219-45).

 

Gemäss Kaufvertrag vom 13. August 1837 übernahm Alfred de Rougemont die alte Schadau mit Hof und Garten, die anschliessende Hausmatte mit Waldlein, zwei Fischteichen und einem Lischenmöslein (schilfbestandenes Sumpfgebiet), sowie etliches Mattland (Weiden) in der näheren Umgebung. Nach dem Kauf widmete er sich zunächst der Umgestaltung der hausnahen Gärten und Freiflächen nach den Prinzipien des englischen Landschaftsparks. Mit dem Bau des neuen Schlosses liess sich das Ehepaar de Rougemont mehr Zeit. Um 1840 zeigt sich das alte Landschlösschen bis auf ein neues, seeseitig vorgestelltes Peristyl (offene Saulenhalle) mit Terrasse unverändert.

Alfred de Rougement
Portrait Alfred de Rougemont
Ölgemälde undatiert

Ursprünglich sollte die alte Schadau im Kern erhalten bleiben, wohl um geschichtliche Kontinuitat zu markieren. Die erhaltenen Projektplane aus der Hand des Architekten Beat Rudolf von Sinner von 1840 weisen eine Überformung des bestehenden Gebäudes und dessen Ergänzung durch einen stadtseitigen Querbau zur Aufnahme der Gesellschaftsräume – Salon, Billard- und Esszimmer – auf. Dieser stilistisch von der frühen italienischen Renaissance beseelte Anbau mit motivischen Anleihen an die preussische Burgenromantik passte indessen schlecht zum Altbau von 1638. Wiewohl solche Bauten mit asymmetrischem Aussichtsturm und schlichten, geweissten Mauern im italophilen Klima der europäischen Romantik viel Beachtung fanden, entschied sich die Bauherrschaft daher letztlich doch für einen kompletten Neubau. Die weiteren Planstudien zeigen den vollständigen Bruch mit der lokalen Bautradition. Der aus Neuenburg beigezogene Architekt James Victor Colin entwarf zwischen 1844 und 1846 einen malerisch komponierten Gebäudekomplex über verwinkeltem Grundriss.

Dem symmetrischen Corps de logis fügte er nach dem Vorbild der französischen Renaissance-Feudalarchitektur des 16. Jahrhunderts aareseitig einen Wohnturm und Palas sowie westseitig einen Wehr- und einen Treppenturm an. Die Ausführung erfolgte im Wesentlichen nach diesen Plänen, mit zwei namhaften Ausnahmen: zum einen wurde die dreiläufige Haupttreppe im Innern durch eine von Joseph Hubert Verbunt äusserst aufwendig gestaltete Wendeltreppe ersetzt und zum anderen überzog der wohl eigens zu diesem Zweck beigezogene Pariser Architekt Pierre-Charles Dusillion Colins klassizistisch-nüchterne Fassaden mit einem geradezu textil wirkenden Muster aus unterschiedlichen und farblich stark kontrastierenden Materialien. Den Schlusspunkt setzte die von der englischen Tudorgotik inspirierte Sandstein-Bauzier.

Alte Schadau Schwarz weiss
Alte Schadau Kopie von E.V. Rodt (1849-1926) Burgerbibliothek

 

Nach Alfreds Tod wurde sein Sohn Jean Frederic Albert de Rougemont (1837–1899) Eigentümer der Schadau. Als Oberst der Artillerie stand er in den Fussstapfen des Vaters und zusammen mit seiner Gattin Mina Justine Comtesse de Constant-Rebecque (1854–1935) führte er auch dessen lokales Engagement fort, etwa indem er 1872 im Gwatt ein Greisenasyl stiftete oder der Schuljugend zwei Uferstellen als Badeplatze zur Verfügung stellte. Bis auf wenige bauliche Massnahmen im Schloss und einige Landkäufe zur Arrondierung der Parkanlage liess das Ehepaar die Schadau weitgehend unverändert.

Auch unter ihrem Sohn Alfred Denis Louis (1885–1908) blieb es bei diesem Bestand. Nach dessen Freitod und dem gleichzeitigen Erlöschen des Schadau-Zweiges der Familie de Rougemont ging sein Erbe testamentarisch an seinen in München lebenden, unmündigen Neffen Henry von Swaine. Dessen Vater Baron Karl Alexander von Swaine sah indessen offensichtlich wenig Sinn im Besitz eines fernen Schlosses. Zunächst liess er das exklusive Mobiliar in langen Inventarlisten minutiös auffuhren, um es dann zwischen 1908 und 1917 teilweise zu sich nach Deutschland überstellen und hauptsächlich in Thun an öffentlichen Auktionen mit hohem Publikumsaufmarsch und Medieninteresse versteigern zu lassen. Schliesslich liess er auch die Liegenschaften verkaufen. So gelangte das Ensemble 1917 an ein Baukonsortium mit spekulativen Geschäftsabsichten, dem unter anderem der Thuner Architekt Alfred Lanzrein und die Firma Frutiger Söhne aus Oberhofen angehörten. Die Mitglieder hatten die Gunst der Stunde erkannt. Kurz nach dem Erwerb wurde das weitläufige Areal mit der Eingemeindung von Strättligen (1919) und dem Bau des neuen Bahnhofs (1920) sowie des Schiffahrtskanals (1924-1926) zu einem bevorzugten Stadterweiterungsgebiet.

1920 realisierte Lanzrein im westlichen Parkbereich eine (1985 abgebrochene) Villa für die Familie von Selve, Besitzer der gleichnamigen Metallwerke in Thun, danach folgte die Parzellierung des seeanstossenden Landstreifens bis zum Lachen und dessen Überbauung mit gehobenen Wohnbauten. Als schliesslich der Abbruch von Schloss Schadau zur Diskussion stand, entschieden sich die Thuner Stimmburger 1925 für den angebotenen Ankauf des vernachlässigten Gebäudes und der seither durchgehend öffentlich zuganglichen Parkanlage. Seit 1928 besteht im Erdgeschoss ein Restaurationsbetrieb, während die Obergeschosse zunächst eine militärhistorische Sammlung (1933–1960) und von 1988–2017 das Schweizerische Gastronomiemuseum beherbergten. Mit dem Kauf des westlichen Parkareals 1983, des Schadaugutes 1986 und der Schadaugartnerei 2013 gelangten in der Folge weitere Teile des ursprünglichen Ensembles ins Eigentum der Stadt Thun.

Aussenansicht Schloss Schadau, Seefassade (Quelle: Christian Helmle, Thun, 2019)

 

Seit der Übernahme des Schlosses durch die Stadt Thun wurden auch im Gebäudeinnern regelmassig bauliche Massnahmen vorgenommen, etwa bei der Elektrifizierung des Baus 1926, der teilweisen Entfernung der Zwischenwände des Officeraumes im Erdgeschoss, der Übermalung von Marmorierungen in den Korridoren und dem Tapetenersatz in etlichen Räumen 1961 oder etwas später beim Einbau einer Treppe im kleinen Salon zu neuen Toilettenanlagen im Untergeschoss. Bei der Umstellung der Restauration von Sommer- auf Ganzjahresbetrieb 1986/87 wurden alsdann eine Heizungs- und Lüftungsanlage sowie im zweiten Obergeschoss eine Wirtewohnung eingebaut und der Officeraum mit einer Satellitenküche ergänzt. Nach dem Auslaufen des bisherigen Pachtvertrages stand dann unlängst eine umfassende Innensanierung und die Entwicklung eines neuen Gastronomiekonzeptes an.

Eine 2016 vorgelegte Machbarkeitsstudie für den Umbau des Schlosses zu einem Hotelbetrieb ging zunächst von der ökonomischen Notwendigkeit von rund 40 Gästebetten aus. Angesichts dieser Vision initiierte die Denkmalpflege eine bauhistorische Untersuchung. Sie bestätigte, dass praktisch die komplette feste Innenausstattung aus der Bauzeit erhalten war. Dies betraf die hölzernen Elemente wie Fenster mit Nischeneinkleidungen, Türen inklusive Einfassungen, Knietäfer und Fussladen, aber auch die Bodenbeläge, Stuckaturen und Deckenspiegel (d.h. die verzierten, ebenen Bereiche der an den Rändern gekehlten Zimmerdecken). Bei eingehenden Farbuntersuchungen der Innenräume und Korridore kamen sodann unter den jüngeren Raufasertapeten und Farbschichten weitgehend die hochqualitativen ursprünglichen Malereien (Marmorierungen, Holzimitationen, Wolkenhimmel an den Deckenspiegeln u.a.) zum Vorschein. Diese Befunde zeigten auf, dass der Fokus nicht einseitig auf den Einbau eines Hotelbetriebes in das Schloss gelegt werden durfte. Vielmehr war umgekehrt vorzugehen und danach zu fragen, wieweit das Gebäude allenfalls mit Gästezimmern versehen werden konnte, ohne die herausragende Bausubstanz zu opfern oder in Mitleidenschaft zu ziehen. Das Ergebnis lag im Konsens aller Beteiligten darüber, dass eine weniger intensive Nutzung anzustreben sei. Ausgeschlossen wurde namentlich die Errichtung neuer Baukörper neben dem bestehenden Gebäude, um dessen Eigenschaft als beherrschender Solitär im Park nicht zu beeinträchtigen. Eine aussenanliegende Vertikalerschliessung mit Lift und Nottreppe wurde ebenso verworfen.

Das 2018/19 vom Team um Architektin Anna Suter und den beigezogenen Handwerksbetrieben mit grosser Umsicht und höchstem Geschick ausgeführte Projekt beschränkte sich schliesslich auf eine sanfte Sanierung der gesamten Innenausstattung, den moderaten Umbau des Restaurationsbetriebes im Erd- und Untergeschoss sowie die Realisierung von neun Gästezimmern und einigen Seminarräumen in den beiden Obergeschossen. Das Gastronomiekonzept zielte dabei auf ein Restaurant für die breite – namentlich auch lokale – Öffentlichkeit ab.

Bei der Sanierung wurde grosser Wert auf die Bewahrung des authentischen Denkmals gelegt. Dazu gehörte als denkmalpflegerischer Kerngedanke, die Eingriffe in die bauzeitliche Substanz des Gebäudes zu minimieren. So wurde etwa dem Erfordernis nach einem barrierefreien Zugang zum Restaurant und Teilen der Obergeschosse mit dem Einbau eines Liftes im nordwestlichen Treppenturm nachgekommen, wo die Verluste überschaubar blieben. Auch die übrigen baulichen Eingriffe im Hinblick auf die Umnutzung konnten auf das Notwendige beschränkt werden. Sie betrafen vorab den Umbau der Hauptküche im Untergeschoss und die Erneuerung der Satellitenküche im Officeraum nach den Anforderungen eines modernen Gastronomiebetriebes. Anstelle einer Warmerückgewinnungsanlage mittels Plattenwärmetauscher, die gravierende Durchbrüche im Untergeschoss bedingt hatte, wurde ein Kreislaufverbund-System gewählt, das zu einer geringfügigen ökologischen Minderleistung fuhrt, aber den Vorteil hat, dass die Kabelschächte über Putz montiert werden konnten.

Die Veranda des Restaurants erhielt neu eine Festverglasung, bleibt aber als Aussenbereich nach wie vor unbeheizt. In den Obergeschossen bestanden die spürbarsten Interventionen im Einbau von Toiletten für den Seminarbetrieb sowie von sanitären Einrichtungen in den neuen Gästezimmern. Sie wurden vornehmlich dort realisiert, wo bereits zu früheren Zeitpunkten Eingriffe – wie etwa beim Einbau einer Wirtewohnung im zweiten Obergeschoss – erfolgt waren. Weitere Konzessionen mussten bezüglich der haustechnischen Installationen aus Sicherheits- oder Komfortgründen gemacht werden (Brandschutz, Beleuchtung, WLAN-Netz u.a.); durch ihre dem Gebäude angepasste Positionierung, Dimensionierung und Materialisierung wurden auch sie möglichst zurückhaltend angebracht. Soweit keine baulichen Veränderungen anstanden, wurde bei der Gesamtsanierung darauf geachtet, die Spuren des Alters – gewissermassen die Patina des Gebäudes – zu erhalten und nicht eine ≪schöne≫, nach heutiger Ansicht perfekte Erscheinung anzustreben. So wurden etwa Risse an Wänden und Decken belassen, wenn nicht statische Gründe eine Intervention erforderten. Einzig Schäden, die das Erscheinungsbild einschneidend beeinträchtigten, führten zu Ausnahmen, beispielsweise beim Ersatz von abgegangenen Holzelementen an der prächtigen Renaissancetür des kleinen Salons oder bei der Rekonstruktion abgebrochener Gipsteile an den Abhänglingen des Deckenfrieses im grossen Salon. Sämtliche Oberflächen in den Prunkraumen des Erdgeschosses – einschliesslich der reich bemalten Täfer und kostbaren Ledertapeten – wurden sodann lediglich gereinigt und schadhafte Stellen grundsätzlich nur soweit ausgebessert, als dies zur Stabilisierung der Beschädigungen zwingend notwendig erschien. Das Täferwerk wurde mit einer Schellackpolitur behandelt, um ihm zu altem Glanz zu verhelfen. Nach gründlicher Untersuchung durch die Restauratoren wurden ferner die bauzeitlichen Farbfassungen der Korridore im ersten und zweiten Obergeschoss wieder hervorgeholt, wobei auch hier anstelle von umfassenden Rekonstruktionen nur stark störende Fehlstellen retuschiert wurden; in dem für das Publikum nicht zugänglichen Dachgeschoss beschränkte man sich auf die Öffnung eines Belegfeldes. In den Räumen der Obergeschosse wurden die seit der Erbauung entfernten sowie die aus den 1960er Jahren stammenden Tapeten durch Replika-Tapeten aus der Zeit um 1850 ersetzt. Die Farbigkeit der neuen Wandverkleidungen ist aus den Befunden am Holzwerk abgeleitet. Die Bemalungen der stoffbespannten Decken wurden dort, wo sich die (mutmasslichen) Wolkenhimmel nicht erhalten hatten, in einer schlichteren Form – im selben Blauton, aber ohne Wolken – neu gestrichen.

Bei der Möblierung wurde die Eigenfarbigkeit der Räume berücksichtigt und auf ein unaufdringliches Design geachtet. Anlässlich der Gesamtsanierung konnten diverse verunklarende Veränderungen aus dem 20. Jahrhundert ruckgängig gemacht werden. Im kleinen Salon wurde die Treppe zum Untergeschoss rückgebaut und dem zuvor entwerteten Raum seine ursprüngliche Funktion als Prunkzimmer wiedergegeben. Der Abgang zu den neu gestalteten Toilettenanlagen im Untergeschoss wurde in das kleine ehemalige Bibliothekszimmer im Nordturm verlegt. Schliesslich wurden die nachträglich in die seeseitigen Stichkorridore des ersten und zweiten Obergeschosses eingebauten Vorzimmer entfernt, sodass die Korridore nun wieder bis an die Südfassade reichen.

Die Sandstein-Wendeltreppe in der Eingangshalle mit ihrer Flamboyant-Masswerkbrüstung ist ein Meisterwerk des niederländischen Bildhauers Joseph Hubert Verbunt.
(Quelle: Christian Helmle, Thun; 2019).

 


Park und Umgebung 

1760 übernahm Bernhard May die Schadau mit dem von der Familie von Erlach angelegten Umschwung, im Vertrag als ≪Lust-, Kraut- und Baumgarten, samt dabei gelegenem Mattland≫ beschrieben. Die einzelnen Gartenelemente waren in spätgotischer Manier noch nicht als Einheit zusammengefasst, sondern räumlich getrennt. Der hausnahe, von der Umfassungsmauer umgebene Lustgarten war als Empfangshof von der Aussenwelt abgeschirmt. Seeseitig schloss ein ebenfalls umfriedeter Krautgarten mit Nutzpflanzen an, in der Art des 1723–1729 angelegten Nutzgartens von Schloss Prangins (VD). Weiter westlich folgte ein längsrechteckiges Gehölz am See, das mit seinem überwiegenden Laubbaumbestand reinen Ziercharakter aufwies. Der 1812 von Geometer Kaspar Fisch gezeichnete Plan zeigt immer noch dieselbe Aufteilung. Allerdings lasst sich im Innern des Baumgartens nunmehr neben der wohl ursprünglichen, von drei Ellipsen durchbrochenen Hauptachse ein gewundener Rundweg ausmachen, der Durchblicke zum See ermöglichte. Zudem wurde der seeseitige Teil der Umfassungsmauer vor dem Schloss in der Hohe reduziert, um den Blick vom Lustgarten auf den See und das Alpenpanorama zu ermöglichen. Diese durch die Familie May im ausgehenden 18. Jahrhundert vorgenommenen Neuerungen lassen das veränderte Verhältnis zur Natur im Sinne Albrecht von Hallers und Jean-Jacques Rousseaus anklingen, das nicht mehr auf deren Unterwerfung durch den Menschen, sondern vielmehr auf den Genuss der unberührten Landschaft abzielte.

Diese noch zaghaften Übergangselemente wurden von Alfred de Rougemont ab 1837 konsequent zu einer Gesamtanlage im Sinne der zeitgenössischen englischen Gartenkunst umgestaltet. Bis heute wechseln sich um das zentral auf einer Aufschüttung gelegene Schloss weite Wiesenflächen mit raumbildenden Gehölzen ab, von denen das unter Aufgabe des Krautgartens in der Fläche verdoppelte Schadauwäldchen die grösste Ausdehnung aufweist. Die geschickte Anordnung der Clumps (Baum- und Sträuchergruppen) ermöglicht den Blick aus dem Park, zum einen vom Schloss über den See auf das Dreigestirn von Eiger, Mönch und Jungfrau am Horizont und zum anderen durch Sichtachsen auf die Schlosser Oberhofen, Hünegg und Thun sowie auf die 1941/65 abgebrochene Chartreuse. Dazu liess Alfred die ehemalige Umfassungsmauer aareseitig ganz und seeseitig bis auf Hufthöhe abgetragen. Lediglich eines der Ecktürmchen blieb als Reminiszenz an die alte Schadau stehen. Der zweigeschossige, mit einer welschen Haube gedeckte Kleinbau über achteckigem Grundriss diente fortan als Spielstube für die Kinder. An der sudöstlichen Ecke des Parks wurde um 1840 ein reizender kleiner Gartenpavillon errichtet. Im selben Bereich wurden zudem grosszügige – aber schon bald auf das Areal der Schadaugärtnerei verlegte – Beete angelegt. Hier widmete sich Alfred mit Hingabe der Rosenzucht, die Kreuzungen wie die weiss blühende Hybride ≪Madame Alfred de Rougemont≫ hervorbrachte. Auf den Rasenplätzen sorgten im Sommer unter anderem Dahlien, Fuchsien und Verbenen für farbliche Akzente. Den Park durchzieht ein subtil angelegtes Wegsystem, das Pfade nach Wichtigkeit und Breite unterscheidet. Vom Hauptportal an der Seestrasse, das um 45 Grad aus der von Thun herführenden Achse gedreht ist, fuhrt eine geschwungene Zufahrt zum Schlosshof und von dort zurück auf die Strasse. Auf dem schmaleren Beltwalk (Rundweg), einem shrubbery-walk (Strauchweg) sowie einem Ufer- und einem Waldweg gelangen die Besucher an zahlreiche Orte mit stets neuen An- und Ausblicken. Auch die ausserhalb des englischen Landschaftsgartens gelegenen Elemente des Anwesens sind in ein Gesamtsystem eingebunden.

Landschaftspark de Rougement vor 1852
Die Schadau im Transformationsprozess. Noch steht das alte Landschlösschen, die Gartenanlage weist aber bereits erste Veränderungen durch die Familie de Rougemont auf: Die Umfassungsmauer ist abgetragen, anstelle des ehemaligen Ecktürmchens steht ein neues Cabinet und die Freifläche dient der Rosenzucht. 
Aquarell von Gabriel Lory fils, vor 1852.

 

Der aus dem baden-württembergischen Mimmenhausen stammende Maler Marquard Wocher (1760–1830) erlernte sein Handwerk als Illusionist in der Berner Werkstatt von Johann Ludwig Aberli. Aberli war ein Hauptvertreter der sogenannten Berner Kleinmeister, die im 18. und 19. Jahrhundert im Zuge des aufkommenden Tourismus eine neue Bildgattung von pittoresken Landschaftsansichten schufen. Diese kleinformatigen Blätter liessen sich mittels Druckverfahren einfach vervielfältigen und als Souvenirs gewinnbringend an die Reisenden verkaufen. Wocher interessierte sich aber auch für das mit den Rundpanoramen gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufkommende Grossformat. Von 1809–1814 fertigte er auf einer Leinwand von 39 x 7,5 Meter eine detailgetreue Vedute der Stadt Thun und deren Aussicht auf den Kranz der Berner Alpen. Dieses Werk stellte er in Basel aus, wo er sich 1782 niedergelassen hatte. 1889 gelangte das Panorama als Schenkung an den Einwohnerverein Thun. Aufgerollt auf einer Walze blieb sein Schicksal lange Jahre ungewiss, bis die Gottfried Keller-Stiftung es 1960 mit der Zusicherung erwarb, es als Dauerleihgabe in Thun zu belassen, sofern die Stadt Thun innert Jahresfrist ein entsprechendes Ausstellungsgebäude errichte. Stadtbaumeister Karl Keller realisierte fristgerecht eine Rotunde (Gebäude über kreisrundem Grundriss) aus zehn radial angeordneten Stahlbetonpfeilern, die er im Sockelbereich mit verputztem Mauerwerk und im Obergeschoss mit Sichtbackstein ausfachte. Den Innenraum mit einer Besucherplattform auf vier Ebenen deckte er mit einem Kegelstumpf-förmigen Betondach. Das öffentlich zugängliche Gebäude erhielt 2014 eine Erweiterung mit einem neuen Zugangs- und Ausstellungsbereich, der die zylindrische Struktur des Rundbaus in sanften Schwüngen fort- und in eine rechteckige Geometrie überführt. Im selben Jahr wurde auch das Panorama selber sorgfältig restauriert.

Thun Panorama
Die Rotunde des Thunpanoramas mit dem Erweiterungsbau von 2014

 

 

Auszüge aus GSK Führer: Hünerwadel, Jürg; Schloss Schaudau, Thun; Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, 2019